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Großer und emotionaler Abschied von der schwäbischen Alb

 Überführung von Lok 20 durchs halbe Ländle bis zur Schweizer Grenze 

Ein Abschied mit weinendem Auge und auch gespanntem Blick in die weitere Zukunft des AEV zusammen mit der KTB



Es war ein außergewöhnliches Wochenende für alle Beteiligten. Und mit allen sind nicht nur die Personale, Vereinsmitglieder und sonstige Personen gemeint, die bei dieser wohl für den AEV größten Überführungsfahrt in der Geschichte des Vereins, sondern auch und gerade die Fahrzeuge.

Immerhin galt es eine Strecke von knapp 300 km durchs halbe Ländle mit Lok 20 und zwei der drei vereinseigenen Wagen zurückzulegen. Das ganze mit Vmax 40 km/h und jeder Menge Schmierhalte. „ Das ist wie wenn man bei der 01 den ganzen Tag mit 160 km/h am Limit fährt“, so einer der beteiligten Heizer während der Fahrt. In der Tat war Lok wie auch Wagenmannschaft stets bei jedem längeren planmäßigen (und auch unplanmäßigen) Halt sofort im Gleisbett um nach der Temperatur der Lager zu sehen und ggf. zu schmieren. Doch nun stellt sich natürlich die Frage, warum der ganze Aufwand? Auf der schwäbischen Alb ist es doch schön? ( Wenn auch bisweilen generell kälter wie in der badischen Heimat...)

Zu Beginn kann man die zweite Frage schoneinmal gleich als indiskutabel abhaken. Dort oben ist es schön, wenn nicht gar einzigartig. Für uns, die aktiven Mitglieder des AEV, war es daher eine recht schwere Entscheidung, die dann auch nur schweren Herzens so getroffen wurde, dass der
Umzug von Lok und zwei Wagen ins Kandertal stattfinden sollte. Die Zeit auf der Schwäbischen Alb bei der SAB wird uns allen in bester Erinnerung erhalten bleiben, da wir hier nicht nur eine beispiellose Gastlichkeit und Herzlichkeit der dort aktiven Eisenbahner entgegengebracht bekamen, sondern hier auch bei Eisenbahnbetrieb vom Feinsten mitwirken durften und diesen kennenlerenen durften. Das „vom Feinsten“ bezieht sich hier freilich nicht nur auf Optik und Spaß an der Arbeit in dem durch und durch idylisch und authentischen Umfeld. Nein, hier kann man auch von gutem Geschmack hinsichtlich der diversen Sonderfahrten in Bezug auf das leibliche Wohl sprechen. Beispielhalft zu erwähnen sind hier allen voran das Bratapfelzügle oder auch die ein oder andere Sonderfahrt anlässlich von Geburtstagen, bei denen stets auch dem leiblichen Wohl des Lokpersonals genüge getan wurde. Aber auch am Ende eines produktiven Arbeitssamstags konnte man stets auch in Bahnhofsnähe den Abend bei ein paar Frühlingsrollen in der Münsinger Bahnhofsgaststätte ausklingen lassen. Landschaftlich war jede Fahrt ein umwerfendes Erlebnis, da sich historische Lok und Wagen in das Gesamtbild einfügen, als wäre die Bahnstrecke zusammen mit dem albschwäbischen Kalkstein entstanden... Rückblickend könnte man hier noch unzählige Ereignisse und Gegebenheiten aufzählen, die die Zeit dort oben anfühlen lässt wie ein schöner Urlaub. Es lies sogar den eigentlich äußerst dramatischen Grund unserer Anwesenheit etwas in den Hintergrund rücken: das „Dilemma Achertal“ mit dem Ende der dort jahrzehnte Lang durchgeführten Dampfzugfahrten. Wir standen als Verein mit unseren Fahrzeugen im übertragenen Sinne auf der Straße. Ganz unverhofft und als wäre es eine Selbstverständlichkeit gewährte uns die SAB bzw. deren Kopf, Bernd Weckler, Unterschlupf, Infrastuktur und ein paar Mieteinnahmen, um den Verein durch die Vermietung der Fahrzeuge an die SAB auch finanziell etwas unter die Schultern zu greifen.

Lieber Bernd, an dieser Stelle möchten wir, der gesamte AEV, unseren Dank aussprechen! Ohne dieses Entgegenkommen deinerseits, würden wir als Verein heute wahrscheinlich längst nicht mehr existieren. Die Zeit bei der SAB half nicht nur „materiell“ in Form der zur Verfügung gestellten Infrastruktur usw. sondern auch – und das ist wahrscheinlich noch viel wichtiger – in Form von vielen guten Erinnerungen und Erfahrungen, die zeigen, wie gut die Museumsbahn heutzutage funktionieren kann, wenn man sie an den richtigen Stellen anpackt und in den örtlichen Tourismus einbringt. Wir fühlten uns in Münsingen stets als gern gesehen Gäste, und das trotz dass wir als auf den ersten Blick als womöglich „kränkelnder“ Verein zu bezeichnend, auch als Klotz am Bein gesehen hätten werden können, waren wir stets willkommen und Du konntest stets ein offenes Ohr für unsere Problemchen haben. Gerad auch in Hinsicht auf die unglaubliche Aufgabenlast und Verantwortung, die du als „Kopf“ der Schwäbischen Alb Bahn hast, erfüllt uns dies mit einer besonderen Ehre. Ein Paradebeispiel schwäbisch-badischer-Zusammenarbeit könnte man sagen.


Aber wie bereits eingangs erwähnt, so manch eine Entscheidung fällt schwer oder auch sehr schwer. In diesem Falle wurde zugunsten der Fahrzeuge entschieden. So Manch aufmerksamer Leser unserer Homepage-News oder auch der Facebook Seite des AEV wird bemerkt haben, dass der letzte Betriebstag unserer Lok 20 tatsächlich an Ostern diesen Jahres war. Es lag weniger am Willen des Lokpersonals oder der Dienstplanung vielleicht noch mehr Fahrten Mit Lok 20 anzubieten. Vielmehr war hier ein technisches Problem aufgetreten, wie es auf Museumsbahnen im allgemeinen immer stärker zukommen kann: Die technischen Voraussetzung auf der SAB mit Lok 20 Betrieb zu machen sind seit Inbetriebnahme der technischen Überwachung der Strecke nicht mehr gegeben. Die Lok ist im Originalzustand, was die Technik anbelangt, und daher nicht im Besitz einer PZB-Anlage, die für den Betrieb auf der Strecke der SAB mittlerweile von Nöten wäre. So gab es zunächst nun zwei Möglichkeiten: Die Betriebstage der Lok reduzieren sich auf einen unwesentlichen Betrag und dann nur mit Vorspannlok (die mit einer PZB-Anlage ausgestattet wäre) oder es muss auf eine Bahnstrecke ausgewichen werden, die solche technische Voraussetzungen nicht benötigt. Die Vereinskollegen aus dem Kandertal erfüllten diese Voraussetzungen und sind zudem in deren Vereinskonzept die Fahrzeuge der ehemaligen SWEG, DEBG bzw. BLEAG zu erhalten in zweierlei Hinsicht ein passendes Ziel. So kann dort die Lok 20 zunächst in technisch unverändertem Zustand auch ohne PZB-Anlage in Betrieb bleiben.

So wurden also die notwendigen Vorbereitungen getroffen. Da die Kandertalbahn ohnehin auch einen Austausch bzw. „Sammlungsbereinigung“ anstehen hatte, kam die Organisation einer größeren Überführungsfahrt ohnehin wenig überraschend. So konnte das AEV-Rollmaterial also in dem selben Atemzug von der Schwäbischen Alb nach Haltingen bzw. Kandern gebracht werden, wie die Fahrzeuge vom Kandertal weg in richtung eines Abnehmers. Anreise war dann in Münsingen ein letztes Mal nachdem am Wochende davor bereits sämtliches AEV Hab- und Gut in einem der Wagen die mitgenommen werden sollten verstaut wurden. Ein ganz wichtiger Punkt stellte auch die Politur der Lok dar – schließlich will man ja vermeiden, dass es aussieht als würde man abgeschleppt. Denn die Fahrt wurde durch die GFE Crailsheim durchgeführt und gezogen wurde mit einem Bundesbahnklassiker: einer Diesellok der Baureihe 212. Angeheizt musste die Lok dennoch werden, um den für die Schmierung nötigen Dampfdruck parat zu haben. Zudem wurde während der gesamten Überführungsfahrt ab und an „mitgefahren“, das heißt der Dampfregler geöffnet, sodass eine gute und ausreichende Schmierung so sicher bei allen Teilen des Triebwerks gewährleistet war. Aus o.g. Gründen war dieses letzte Mal anheizen auf der Alb stets mit gemischten Gefühlen vonstatten gegangen. Schließlich hatte es etwas endgültiges an Sich, mit hinein spielte natürlich auch in großem Maße die allgemeine Ungewissheit über den erfolgreichen Ablauf der Überführungsfahrt. Wird es technische Probleme geben? Macht die Lok, die eigentlich für Nebenbahnen mit kurzen Strecken konzipiert ist, derart lange Strecken mit?

Am Samstagmorgen sollte es dann planmäßig um 9:40 Uhr heißen: Auf Wiedersehen Münsingen! Das hieß es dann auch, allerdings etwa eine gute Stunde später. Die Einzigartigkeit des Ereignisses und schwere des Abschieds wurde in Münsingen durch Trauerbeflaggung und Einspielen des Badnerliedes über die Bahnhofssprechanlage kundgetan – das will mal was heißen, wenn im schwäbischen freiwillig diese unsere Hymne gespielt wird, definitiv ein Gänsehautmoment für alle Beteiligten. Weiter ging dann die Fahrt des kuriosen Gespanns in Richtung Engstingen. Zuglok 212, dann Lok 20 darauf gefolgt der Kesselwagen mit Wasser für die Lok (von der GFE mitgebracht), den beiden AEV-Personenwagen (Bi14 und Bi 133), sowie einem Bahnpostwagen zum Erreichen der benötigten Bremshundertstel. Durch eine malerische Landschaft führte die Fahrt zunächst über die angrenzenden HzL-Strecken über Sigmaringen nach Tuttlingen. In Sigmaringen stieg dann der Lotse für die Fahrt bis dahin, der Chef persönlich, Bernd Matthias Weckler, sichtlich gerührt vom Zug verabschiedete sich und wünschte gute Fahrt. Mit hier und da kleineren Verzögerungen, zumeist weil man mit dem ungeöhnlichen Gespann und der Tatsache eine Überführungsfahrt zu sein stets als letzter in der Reihe war (Stichwort Überholung) ging es durch das Donautal ebenso landschaftlich reizvoll weiter, wie die Fahrt begonnen hatte. Hier konnte man dann auch getrost ausblenden, dass das Wetter zunehmends düsterer wurde und ab und an auch der ein oder andere Tropfen fiel. Zahlreiche Fotografen begleiteten die Fahrt fleißig am Streckenrand, stets in dem Bemühen das beste Motiv herauszuholen.

Hausen im Tal: Zwischenhalt für Gegenzug, Schmierung und natürlich Fotografien...

Hausen im Tal: Zwischenhalt für Gegenzug, Schmierung und natürlich Fotografien...

Wer bei solchen Aufnahmen Lust auf mehr kriegt, sei vorgewarnt: Einige dieser Fotos dürfen wir in der großen Bildergallerie auf der Website bewundern. Hier gilt speziell der Dank an Carlo, Armin Ebert und Julien Woehrel für das zur Verfügung stellen des Bildmaterials. Letzterer dokumentierte das Geschehen aus Sicht des Zugpersonals, sodass wir hier quasi die gesamte Fahrt aus zweierlei Perspektiven präsentieren können. Die Kohle wurde zum Ersten Mal in Sigmaringen nachgefasst. Hierzu wurden am Vorwochenende händisch knapp 1 Tonne Kohle in insgesamt 32 Säcke geschaufelt, welche unter anderem auf einem Flachwagen mittransportiert wurden. Die Schwierigkeit hier bestand nicht nur in der körperlichen Anstrengung, sondern auch in der Tatsache, dass dies nur ohne Fahrdraht möglich war. Beim Bekohlen unter Fahrdraht hätte dem Befüllenden eine tödliche Verletzung durch Stromschlag drohen können... Nach der Durchquerung des Donautals kam die Fahrt schließlich in Blumberg Zollhaus an. Dieses weitere Highlight der Überführunsgfahrt über die Sauschwänzlebahn machte Lok- und Zugpersonal sowie den Fotografen am Streckenrand gleichermaßen Spaß. Man schlängelte sich durch die zahlreichen Kehren und über die vielen Brücken, die einen wunderbaren Ausblick gewährten hinunter in Richtung untere Wutachtalbahn. Immer weiter und näher kam man mit Einbruch der Dunkelheit zur Schweizer Grenze und damit allmählich auch in Richtung Zielgeraden. Das letzte Drittel der Überführungsfahrt war denkbar unspektakulär, wobei die einbrechende Dunkelheit ihren wesentlichen Teil dazu beitrug: Eventuelle reizvolle Landschaften am Streckenrand waren schlichtweg der Nacht gewichen. Der Arbeitsplatz auf der Lok gewann so nochmals umso mehr an Attraktivität, da es draußen mittlerweile recht kühl wurde. Die Nähe zu Basel kündigte sich dann vor allem durch die imposanten Industriebauten an, die durch die ebenso beeindruckende Beleuchtung aus der dunklen Nacht hervorstach. Nun wurde bereits begonnen, den letzten Teil der Überführung seitens Kandertalbahn-Betriebsleitung zu planen: Die Fahrt von Haltingen nach Kandern würde nämlich Lok 20 mit den beiden Wagen aus eigener Kraft zurücklegen, da die Wagen, die die GFE mitnehmen sollten bereits in Haltingen waren. Durch den badischen Bahnhof in Basel ging die Fahrt ohne Zwischenstopp bis nach Haltingen, wo dann die Zusammenstellung des Zuges begann. Nun war die kleine badische Lok aus dem Jahre 1928 sogar einmal über Schweizer Gebiet gefahren. Kurz vor Abfahrt in Richtung Kandern begegneten sich am Haltinger Bahnsteig noch zwei alte Bekannte: Lok 20 fasste Wasser am Wasserkran ehemals aus Ottenhöfen durch die Kandertalbahn abgebaut, nachdem man in Ottenhöfen den Dampfzug abfahren lies. Mit frischen Wasserreserven und der neu befüllten Kohle ging es nun auf die endgültige Zielgerade. In Kandern angekommen musste nun noch das neue Wagenmaterial in die Halle gestellt werden, sowie die Lok 20 für ihren wohlverdienten Feierabend abgerüstet werden. Die Karlsruher Ingenieurskunst beeindruckte nachhaltig, da die Fahrt ohne jegliche technische Komplikationen über die Bühne lief. Die Ankunftszeit belief sich auf 2:00 Uhr Sonntagmorgens. Bis die Wagen und Lok fertig an den vorgesehenen Plätzen standen war es knapp 4:00 Uhr. Insgesamt wurden die knapp 300km in rund 17h Fahrzeit absolviert. Ein denkbar großer Tag ging damit zu Ende und ein wichtiger Schritt in der Geschichte des AEV wurde gegangen. Damit sind alle Blicke auf eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit und mit Spannung auf die Zukunft zusammen mit der Kandertalbahn gerichtet. Wir denken und hoffen, dass alle voneinander profitieren werden und dürfen an dieser Stelle bereits auf den ersten Betriebstag der Lok 20 im Kandertal hinweisen: Sonntag 06.10.2019.

Verabschiedung zweier Vereine voneinander: Bernd Weckler (links, Kopf der SAB) verabschiedet sich in Sigmaringen von Bernd Roschach (1. Vorsitzender des AEV e.V.).

Eine Solche große und denkbare Überführungsfahrt bedarf eines großen Berichts. Dennoch soll am Schluss nicht an Worten des Dankes gespart werden. Die Fahrt bedurfte eines großen organisatorischen Aufwands und Talents, sowohl im Vorfeld als auch in der Durchführung, daher seien an dieser Stelle namentlich erwähnt Herr Jürgen Lange von der Kandertalbahn und Herr Markus Müller der GFE, welcher immer wieder längere Aufenthaltszeiten durch nachhaltige Überzeugungskraft am Telefon während der Fahrt vermeiden konnte. Zu guter Letzt sei auch nochmals der Dank an das gesamte Team und den Verein der Schwäbischen Alb Bahn allen voran Herrn Bernd Matthias Weckler ausgesprochen. Auch wenn wir nun nichts mehr groß zu schrauben haben, kommen wir sicher bald mal wieder hoch zu euch – vielleicht hat dann auch unser guter Frühlingsrollenkoch im Wiesental wieder geöffnet...

 

(Y.A.)

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